Wie funktionieren Lawinenairbags?

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Lawinenairbags sind dafür entwickelt worden, Dich im Falle eines Lawinenabgangs vor einer Totalverschüttung zu schützen, was die hauptsächliche Todesursache bei Lawinenopfern ist. Wie funktioniert das?

Personen mit Lawinenairbags die mit Sonden in einen Lawinenkegel absuchen

Ein Lawinenairbag ist ein Rucksack, welcher einer oder mehrere aufblasbare „Blasen“ integriert hat. Im Falle einer Lawine kann der Träger des Airbags diese Blasen schnell aufblassen lassen, indem er den Auslösegriff betätigt; durch die befüllten Blasen erhöht sich das Gesamtvolumen (Person + Lawinenrucksack) massiv. Durch einen speziellen physikalischen Effekt, den wir später genauer erklären werden, haben grössere Objekte eine duetlich höhere Wahrscheinlichkeit an der Oberfläche zu bleiben, wenn die Lawine ausläuft. Dadurch verringern Lawinenairbags das Risiko, von der Lawine komplett verschüttet und begraben zu werden, massiv, was wiederum die Überlebenschance stark erhöht.
Solche Airbag-Rucksäcke werden daher logischerweise nicht nur beim Freeride Skifahren oder Snowboarden verwendet, sondern machen auch Sinn für Schneeschuhwanderungen oder bei allen Aktivitäten, bei denen ein Lawinenvorfall nicht ausgeschlossen werden kann. Schliesslich haben die letzten mehr als 20 Jahre Einsatz gezeigt, dass diese Airbag Systeme effizient und einfach Leben retten können.

In diesem Artikel erfährst Du neben den Details, wie Lawinenairbags funktionieren auch noch, was eine Lawine eigentlich ist, wie ein Lawinenairbag typischerweise aufgebaut ist und was so ein Ding in etwa kostet.
Lies also weiter und erfahre das Wichtigste, wie Du beim Powder Skifahren Deine Sicherheit verbessern kannst!

Lawinenairbag von Mammut
Lawinen Airbag
Ausgelöster Lawinenairbag von Mammut
Ausgelöster Lawinenairbag

Was ist eigentlich eine Lawine?

Eine Lawine ist grundsätzliche eine grosse Menge an Schnee und Eis (Schneelawine), welche mit hoher Geschwindigkeit einen Hang abrutschen. Lawinen verursachen weltweit in etwa 100-150 Todesfälle von Personen weltweit pro Jahr, zusätzlich von Millionen von Kosten an Gebäuden und anderem Material. Schneelawinen treten dann auf, wenn die Last der Schneedecke so gross oder strukturell so geschwächt wird, dass die Reibung zwischen dem Schnee und dem Untergrund (oder zwischen zwei Schneeschichten) überschritten wird und die Schneedecke durch die Gravitation ins Rutschen gerät. Die Geschwindigkeit, mit welcher sich eine Lawine in Richtung Tal bewegt, hängt dann von der Neigung des Hanges und der Menge und Beschaffenheit des Schnees ab und liegt typischerweise zwischen 100 – 320 km/h in der Spitze.

Lawinen sind dynamische, aktive Vorgänge. Wenn sie dabei auf Personen, Bauten oder andere Hindernisse treffen, können sie durch ihre unglaubliche Masse und Gewalt grosse Schäden hervorrufen. Wie schon erwähnt, braucht es, damit eine Lawine auftreten kann, strukturelle Schwachstellen in der Schneedecke (sogenannte „Schwimm- oder Gleitschicht“). Solche Schwachstellen können aufgrund statischen und dynamischen Konditionen entstehen, wobei zum Beispiel die Lufttemperatur oder Windgeschwindigkeiten zu den dynamischen Konditionen gehören. Im Gegenzug gehören Faktoren wie Hangneigung, Schneemenge und –dichte zu den eher statischen Konditionen. All diese Faktoren können dazu führen, dass innerhalb der Schneedecke eine Schicht entsteht, welche schlecht mit den oberen und unteren Schichten verbunden ist und dadurch für den oben liegenden Teil der Schneedecke wie eine Gleitschicht wirkt.

In einer solchen Situation reicht die von einem einzelnen Skifahrer eingebrachte Belastung respektive Störung reicht, um die Schneedecke ins Rutschen zu bringen. Basierend auf verschiedenen Studien lässt sich sagen, dass ca. 90% von Lawinenopfern diese auch selber ausgelöst haben. Das heisst, dass alleine anhand der Schneemenge nicht direkt geschlossen werden kann, ob sich eine Lawine löst oder nicht; ein Hang verträgt eine dicke Schicht Schnee, wenn dieser gut mit den unteren Schichten verbunden ist. Im Gegenzug dazu, kann sich bereits eine dünne Schneeschicht lösen und abrutschen, wenn diese auf einer solchen Gleitschicht liegt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Schneedecke noch durch das zusätzliche Gewicht eines Wintersportlers gestört wird.

WAS PASSIERT MIT EINEM FREERIDER IN EINER LAWINE UND WIE HELFEN DIE AIRBAGS?

Gerät ein Freerider in ein Schneebrett respektive ein Lawine, so wird er oder sie oftmals mit ins Tal gerissen (die Gefahr von Verletzungen hierbei ist klar, gefährlicher ist aber, dass der Freerider dann beim Stoppen der Lawine unter der Schneedecke verschüttet wird). Ein solche Lawine besteht dabei aus lockerem Schnee, wie auch grösseren Brocken und anderen mitgerissenen Materialien. Während dem Abgang werden dabei die kleineren und grösseren Anteile einer Lawine wild durcheinandergewirbelt. Interessanterweise ist wirkt ein physikalischer Effekt (Segregation Effect) in einem solchem Gemisch aber so, dass grössere Objekte tendenziell eher an der Oberfläche verbleiben (das lässt sich einfach in einem Versuch zeigen, bei dem Sand und Steine in ein Glas füllt und dieses dann schüttelt: die grösseren Steine werden schlussendlich eher oben sein und der feine Sand unten).

Folglich bleiben die grösseren Objekte auch nach dem Stopp der Lawine eher oben liegen, trotz ihres Gewichtes. Die grösste Chance oben zu bleiben in solchen Gemischen haben aber Objekte, welche ein grosses Volumen bei möglichst kleinem Gewicht haben (also eine kleine Dichte). Ein Freerider in einer Lawine erfährt dabei das gleiche Schicksal wie jedes andere Objekt. Zu Beginn wird er mitgerissen und dabei dem Risiko ausgesetzt, sich an Felsen, anderen Objekten in der Lawine oder auch beim Sturz über einen Felsabbruch zu verletzen. Schlussendlich entscheidet, wenn die Lawine zum Halt kommt, seine Grösse und Dichte im Vergleich zu restlichen Beschaffenheit der Lawine, wie gross seine Chance ist, nicht komplett verschüttet zu werden. Und das ist genau der zentrale Aspekt, wie Lawinenairbags funktionieren: dank dem vergösserten Volumen durch die Airbags wird die Dichte des Freeriders deutlich reduziert, was die Chance massiv erhöht, dass man bis zum Schluss an oder sehr nahe an der Oberfläche bleibt.

Aber weshalb ist es so entscheidend, nahe an der Oberfläche zu bleiben?

Basierend auf verschiedenen Studien kann gesagt werden, dass mehr als 90% der Lawinenopfer lebend geborgen werden können, wenn sie innerhalb der ersten 15 Minuten gerettet und ausgegraben werden. Das Verhindern einer Komplettverschüttung macht konsequenterweise das Finden und Bergen eines Lawinenopfers viel einfacher und schneller!

Ein richtiger Freerider weiss, wie wichtig Sicherheit am Berg ist. Auch die besten und erfahrensten Berggänger können mit etwas Pech mal erwischt werden. Das soll einem auf keinen Fall den Spass und die Lust am Abenteuer vermasseln, aber gerade heutzutage gibt es viel Wissen und technische Hilfsmittel, um einerseits das Ereignis selber unwahrscheinlicher zu machen und andererseits die Konsequenzen, sollte es dennoch passieren, möglichst gering zu halten.

Und wir können es nicht oft genug wiederholen: Wenn ein Lawinenopfer schnell geborgen wird, ist die Chance zu überleben sehr hoch. Bei einer kompletten Verschüttung wird die Suche aber schwieriger und hängt noch viel mehr auf der Erfahrung, Training und Ruhe Deiner Begleiter ab. Ein Lawinenairbag ist also nicht nur für Dich eine gute Sache, sondern auch für alle die Dich am Berg begleiten. By the way: eine mögliche schnelle Rettung ist auch der Grund, weshalb Du eigentlich immer einen Hang alleine befahren solltest und nicht in der ganzen Gruppe. Erstens wird die Hangbelastung reduziert. Und zweitens können, im Fall der Fälle, die anderen Gruppe sofort mit der Bergung beginnen, sollte es dennoch mal passieren.

Nun weisst Du, weshalb Lawinenairbags wichtig sind und nach welchem Prinzip sie im Falle eines Lawinenabgangs dem Freerider helfen! Im Folgenden zeigen wir Dir nun noch, wie die Airbags selber aufgebaut sind und worauf Du achten solltest.

 Glücklicher Freeride Skifahrer mit einem ausgelösten Lawinenairbag oder ABS Rucksack

WIE FUNKTIONIEREN DIE LAWINENAIRBAGS?

Das Lawinenairbagsystem (englisch Avalanche Airbag System – ABS) ist ein sich selbst aufblasbares System, das eine Komplettverschüttung in einer Lawine verhindern kann. Das System nutzt dabei den Druck (Stickstoff, Sauerstoff oder Luft) aus einer kleinen Gasflasche der innerhalb des Rucksackes montiert wird.

Die meisten Systeme verfügen über zwei „Ballone“ oder „Blasen“ oder eine grosse U-förmige Blase (mit total ca. 85 – 150 Litern Volumen). Die Blasen sind dabei mittels festen Druckschläuchen mit der Gasflasche verbunden. Dieser Druckzylinder befindet sich innerhalb des Rucksack im oberen Bereich, das heisst in etwa auf Höhe der Schulterblätter, wenn der ABS getragen wird. Weiter verfügen die Lawinenrucksäcke über einen abnehmbaren Auslösegriff, welcher sich meist auf dem rechten Träger des ABS Rucksacks befindet. Wird dieser Auslösegriff gezogen, so werden die Blasen innerhalb weniger Sekunden komplett durch die Druckluft befüllt.

Gesicherter und ungesicherter Auslösegriff
Auslösegriff
Gasflasche von einem Lawinenrucksack
Gasflasche im demontierten und montiertem Zustand

Wie weiter oben im Artikel schon erläutert, verhindern Lawinenairbagsysteme zwar nicht das Auslösen einer Lawine, aber ziemlich zuverlässig eine Komplettverschüttung. Dadurch, dass die meisten dieser Systeme rein auf Druckluft basieren und keine externe Stromversorgung benötigen (es gibt solche, diese empfehlen wir aber aus diesem Grund nicht), funktionieren sie auch bei kalten Temperaturen, Schnee und Eis sehr zuverlässig. Um diese Zuverlässigkeit auch über Jahre zu behalten, empfiehlt es sich zwingend, die Wartungs- und Testvorgaben der Hersteller zu befolgen.

HELFEN LAWINENAIRBAGS WIRKLICH?

Lange wurde die Airbagsysteme kritisch beurteilt, da gezweifelt wurde, dass sie sich genügend schnell aufblasen, zuverlässig auslösen lassen und eine Verschüttung verhindern können. Verschiedene Feldstudien zeigen nun aber, nach Jahrzehnte der Nutzung, dass Lawinenairbagsysteme das Risiko einer Komplettverschüttung signifikant verringern und dadurch eine schnellere Rettung und höhere Überlebenswahrscheinlichkeit ermöglichen. Damit die Systeme aber zuverlässig arbeiten, ist es wichtig, dass sie erstens qualitativ hochwertig sind und zweitens entsprechend den Herstellervorgaben getestet und gewartet werden.

Ein guter, zuverlässiger Lawinenairbag muss daher aus entsprechend robusten, qualitativ hochwertigen Materialien und Fertigungstechnologien hergestellt werden. Heutzutage gibt es auch Systeme, welche einen Notsender integriert haben. Dies kann Rettungsorganisationen helfen, den Ort des Notfalls schneller und zuverlässiger zu finden. Aber, auch wenn Du ein System mit einem solchen Notsender hast, solltest Du nicht auf den normalen Lawinenpieps verzichten.

Eine Lawine drückt, vor allem wenn sie stoppt, das Opfer unter eine dicke Schneeschicht. Eine solche Komplettverschüttung kann dann innerhalb weniger Minuten zu Ersticken oder Unterkühlung führen. Wichtig ist es daher, dass das Airbagsystem genügend früh, sobald der Schnee zu rutschen beginnt, ausgelöst wird. Wichtig zu wissen ist, dass ein Lawinenairbagsystem ohne Probleme mehrfach ausgelöst werden kann. Übrigens: die nicht-Auslöserate (Fälle in denen das System nicht ausgelöst wurde oder werden konnte) liegt etwa bei 20% von denen aber 60% dem Freerider zugeordnet werden können, dass er einfach den Auslösegriff nicht gezogen hat! Das Fazit muss also sein: Lieber ein Mal zu viel, als ein Mal zu wenig!

Zum Schluss noch ein Beispiel: In 2012, überlebte Elyse Saugstad eine Lawine am Stevens Pass in Washington, die sie mehr als 600m in weniger als 30 Sekunden ins Tal gerissen hat. Selbst in dieser grossen Lawine konnte das Airbagsystem verhindern, dass sie komplett unter den Schnee gedrückt wurde. Das hat es ermöglicht, dass sie mit wenigen Blessuren überlebt hat.

WAS KOSTEN LAWINENAIRBAGS?

Die Kosten eines Lawinenairbags variieren aufgrund verschiedener Faktoren wie Marke, Grösse und zusätzlicher Features. So kostet der Ortovox Ascent in etwa 650 Euro, der Jet Force von Black Diamond aber in etwa 1300 Euro. Und ja, Lawinenairbags sind allgemein keine günstige Anschaffung, aber denk dran, dass diese Investition schlicht und ergreifend Dein Leben retten kann.

Falls Du also regelmässig im Powder unterwegs bist, ist es eine sinnvolle Investition, da sie nicht nur Deine Sicherheit erhöht, sondern auch ein besseres Gefühl verleiht, wenn Du vor einem Tiefschneehang stehst.

Ortovox Ascent Avabag Kit

Wie funktionieren Lawinenairbags?

Black Diamond Jetforce Tour Airbag

Wie funktionieren Lawinenairbags?

Zusammenfassung

Lawinenairbags sind ein lohnenswertes Investment, da sie Dein Leben retten können. Sie bieten aber keine 100%ige Sicherheit, das heisst, das ultimative Ziel muss es sein, ihn nie anwenden zu müssen. Die situative Beurteilung der Lawinensituation und Einschätzung des Risikos musst Du also trotz eines Lawinenrucksacks lernen und üben.

Richtig angewendet und eingesetzt sind sie aber nicht nur ein wichtiges Safety-Instrument, sie sind auch praktisch, da Du darin all Dein Freeride Equipment verstauen kannst. Und wenn Du Dich für ein qualitativ gutes Produkt entscheidest und die Wartungsanweisungen befolgst, kannst Du den Airbag über Jahre einsetzen und unbeschwerten Spass im Powder geniessen.